2010 WETTER
2030 STATION
Täglich mit den Nachrichten hören wir die Wettervorhersage.
Das Wetter und Klima hat nicht nur Einfluss auf unsere Befindlichkeit, es hat vor allem eine soziale und wirtschaftliche Dimension. Die in der Folge von Trockenheit, Überschwemmung, Hagel, Unwetter, usw. ausgebliebenen Ernten führ(t)en immer wieder zu Hungersnöten und waren Anlaß großer politisch-sozial-ökonomischer Umwälzungen.
Wir alle kennen verschiedenste Wetterphänomene aus persönlicher Erfahrung und verknüpfen Erinnerungen daran häufig mit nicht-meteorologischen Ereignissen. Den Abend vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges beispielsweise beschrieben manche als flammend roten Abendhimmel.
Das Wetter ist wie jedes nichtlineare System physikalisch unvorhersagbar und mathematisch unberechenbar. Wetterbeschreibungen bzw. -prognosen illustrieren in der (Science-)Fiction-Literatur den Grad des jeweils erreichten Fortschritts in wissenschaftlicher und technischer Hinsicht. In der Graphic Novel V for Vendetta (1982 ff.) schreibt Alan Moore gleich zu Beginn: „Wir schreiben den 5. November 1997 … Das Wetter wird bis sieben Minuten nach Mitternacht schön bleiben. Dann beginnt ein Schauer, der bis ein Uhr dreißig anhält … Die Temperatur wird in der Nacht zwischen 13 und 14 Grad Celsius schwanken.“
Die Daten, die wissenschaftlichen Teilerkenntnisse über diese komplexen Zusammenhänge werden uns via Medien zugespielt und massenmedial aufbereitet.
FACT / FICTION
Wie werden diese Informationen aufgenommen?
Welche Überlegungen resultieren bzw. welche Vorstellungen entwickeln sie/wir daraus?
Um Antworten und Statements auf die Fragen zu erhalten, wie diese Informationen „verdaut” werden, wie der/die Einzelne sie für sich begreift, habe ich ein Setting entwickelt, das „Ohren“ hat:
In diesem „Science Fiction Plot“ erzeugen die Fiktionen die `vorüber gehenden´ Wettermoderatoren/innen, welche die medienvermittelten Wetterdaten mit einer spontanen Improvisation in eine Moderation über das Wetter der Zukunft transformieren.
Die Wetterstation ist eine performative Installation, die die Möglichkeit eröffnet, eine Prognose der Wetterereignisse in der ferneren Zukunft verbal und gestisch zu artikulieren. Mittels einer minimalistisch ausgestatteten „Bühne“, die zwischen offener „Speaker’s Corner“ und geschlossenem TV-Wetterredaktions-Studio changiert
– der Zugang ist frei, den Hintergrund bildet ein Greenbox - Set up (die Blue Box wurde von der Greenbox abgelöst), die Aufnahme erfolgt durch eine Videokamera –,
sind die Passanten/innen eingeladen als „Wettermoderator/innen“ ihre Fiktion zum Wetter in 20 Jahren zu entwickeln und zu moderieren. Die Entscheidung der Besucher/innen erfolgt(e) spontan. Die aufgenommenen Beiträge zeigen ein kaleidoskopartiges Spektrum an Projektionsflächen.
Gabriele Sturm
„Bisher erwies die Wetterstation sich als interaktives und (insbesondere im Beisein der Künstlerin) effizientes Setting, das nicht allein eine rege Partizipation (und mit ihr ein breites Spektrum an „Antworten“) zeitigte, sondern sich zugleich als ein womöglich neuartiger Hybrid aus statischer Installation und interaktiver Performance erwies: insofern sich „performance art“ per definitionem erst in der Aufführung und in den Aktivitäten und dynamischen Prozessen zwischen Performer/in und Zuschauer/innen realisiert, ist die Wetterstation – soweit sich Gabriele Sturm selbst persönlich (als „Performerin“) einbringt – performance art. Dabei ist aber nicht sie die eigentlich agierende „Performerin“, sondern die Performance leistet das Publikum selbst, als dessen „Publikum“ – indem sie zuschauend und dokumentierend „agiert“ – Gabriele Sturm selbst fungiert. Dabei liefert sie nichts als das präzis gesetzte Setting und – wenn sie persönlich anwesend ist – die Kommunikation mit den Besucher/innen, die dann als eigentliche Performer/innen auftreten und dabei die Künstlerin als ihr „Publikum“ sehen, das die jeweilige „Sendung“ zugleich über das (imaginierte) Medium TV an eine breite, visuell wie auch physisch nicht wahrnehmbare Öffentlichkeit vermittelt.
Indem sich dadurch das „Publikum“ (i.s. die dann eigentlich Performierenden) nicht
auf eine zwangshafte Weise herausgefordert fühlt, an der Performance teilnehmen zu müssen, übernimmt es diese wie von selbst – allein der Lust folgend, sich selbst ohne Druck in Szene setzen zu können.“
Lucas Gehrmann, (2011, Kunsthalle Wien)